Studenten des Instituts HyperWerk haben zusammen mit dem Designer Thibault Brevet dessen Grand Central Projekt zu einem Rollenplotter-Riesen weiterentwickelt, der an der Architekturbiennale in Venedig zu sehen war. Die Installation bildete den Rahmen für eine dreiteilige Diskussion, die radikale Strömungen in der italienischen Architektur der 1960er und 70er Jahre resümierte.
Organisiert und moderiert wurde der Anlass von der New Yorker Agentur Superscript. Deren Mitbegründerin Vera Sacchetti hatte das Projekt angestossen und in den Kontext der Ausstellung Monditalia eingebracht.
HyperWerk-Studenten waren zweimal für mehrere Tage in Venedig. Zuerst, um die Installation aufzubauen, und dann, um sie in Betrieb zu nehmen. Geschlafen haben sie dabei nicht viel, dafür umso intensiver erlebt, was es heisst, in solch einem Rahmen zu arbeiten.
Es fehlt uns noch ein Teil, so ein kleines mit Aussparung an der Seite und einem Loch in der Mitte. Wir brauchen zehn Stück davon, oder zwanzig. Wie konnten wir das nur vergessen – die Hände verkrampfen, das Herz hämmert, der Bauch fühlt sich an, als hätte man zwei Wochen nichts gegessen. Dann senkt sich der Puls, der Wecker zeigt 05:05 – keine Panik, die Drucker sind installiert, bis auf Weiteres gibt es nichts, das wir tun könnten, wirklich nichts!
«Oh sure it’s the Biennale», dazu ein verschwörerisches Zwinkern; man nimmt viel auf sich für die Biennale – so auch Rem. Ob Rem jemals zwinkert, ist fraglich; wahrscheinlich hat er keinen Grund dazu. Rem ist ein grosser Architekt und der Kurator dieser Ausgabe. Als er bei uns vorbeischaute, waren plötzlich alle sehr nervös – ich auch.
Man versuchte, ihm und seiner Entourage zu demonstrieren, was für tolle Geräusche die Apparate machen. Das misslang gründlich, und manch einer kriegte wegen der ausbleibenden Resonanz etwas rote Backen. Trotzdem versicherte man uns danach, es sei ein Erfolg gewesen: Rem habe nichts gesagt, das sei ein gutes Zeichen.
Auch Matt und ich waren während des Projekts manchmal sehr schweigsam, aber aus anderen Gründen. Als wir uns nach dem Workshop zu zweit an die Ausarbeitung der Drucker machten, hatten wir höchstens eine vage Ahnung von dem, was uns erwartete. Mit jedem Problem, das wir lösten, tauchten zwei neue auf. Hinzukamen ein horrender Zeit- und Kostendruck und die abenteuerliche Organisation seitens unserer Partner.
Von zwei Studenten zu erwarten, neun dieser Drucker zu bauen, ist verrückt und eine Anmassung, aber schon nach der ersten Woche gab es kein Zurück mehr. Die Biennale hat uns eingesaugt, durchgekaut und erst nach vier Wochen wieder ausgespuckt. Sieht man währenddessen, wie die Organisatoren #stayradical auf Jutesäcke drucken und auch sonst nichts unversucht lassen, die inhaltliche Relevanz im Twitter-Durchlauferhitzer zu verdampfen, kann einem schon die Spucke wegbleiben. Dass dabei auch die Installation weit hinter ihrem visuellen Potential zurückbleibt, ist nur ein weiterer Schlag in die Magengrube. Man steckt ihn aber locker weg, wenn man sich vor Augen hält, wie wundersam es ist, dass die Drucker überhaupt funktioniert haben. All die Nächte des Tüftelns hatten sich am Ende ausgezahlt, aber nicht unbedingt für uns. An dieser Stelle möchten wir uns bei allen bedanken, die uns in irgendeiner Weise unterstützt haben, allen voran bei den Teilnehmern des Workshops. Vielen Dank auch an Kevin, der uns auf der zweiten Reise begleitete und ohne den es nicht geklappt hätte.
Ob wir je wieder an einem derartigen Projekt mitarbeiten werden, weiss ich nicht. Klar ist, dass wir unter solchen Vorzeichen nicht mehr ins Boot steigen. Wir wollen Augenhöhe zwischen den Disziplinen und den Generationen; keine falschen Hierarchien und Versprechen. Wir haben zugegebe-nermassen viel gelernt und wichtige Erfahrungen gemacht – offene Fragen bleiben dennoch: Wie will die Biennale Veränderungen lostreten, wenn sie die Zustände, an der unsere Welt krankt, derart unreflektiert reproduziert?
Wir lassen diese Frage vorerst unbeantwortet, geben uns aber hoffnungsvoll in Bezug auf eine gloriose und radikale Zukunft unseres Babys und möchten noch einmal mit Stolz darauf hinweisen, dass HyperWerk-Studierende zusammen mit Thibault Brevet den grössten Open-Source-Rollenplotter gebaut haben, den die Welt je gesehen hat – Albträume hin oder her.
Wenn wir uns engagieren, dann richtig, und das nächste Mal bitte wirklich radikal.