Supatxenja («Superchanger» in einer portugiesisch-phonetischen Schreibweise) ist eine Strassensicherheitskampagne, für Pemba, einer schnell wachsenden Stadt im Norden Mosambiks. In Zusammenarbeit mit dem Kreativstudio Anima (Mosambik), HyperWerk und Azul Consultoria (Mosambik) wurde sie vor knapp zwei Jahren ins Leben gerufen. Der Ansatz der Kampagne setzt auf das Empowerment der Betroffenen. Was können Kinder und Jugendlichen in Pemba selbst aktiv tun, um die Verkehrssicherheit zu erhöhen? Sie sollten sich weder als Opfer noch als reine Befolger von Verkehrsregeln verstehen. Aktivitäten wie Theater, Tanz, Spiele, Wandmalereien und Talentwettbewerbe, dienen dazu, die Jugendlichen zu involvieren und selbständiges Handeln zu entwickeln. Supatxenja ist dabei nicht der überragende Superman, sondern eher eine Figur, die zwar mutig vorangeht, aber Unterstützung gut gebrauchen kann. Ein Erlebnis- und Reisebericht von unserem Diplomierenden Lukas Oppler aus Pemba.Drei Wochen in Pemba, Mosambik. Einige Eindrücke, wie die Kampagne in der expandierenden Kleinstadt angekommen ist.
Pemba, Sonnenschein, 35 Grad. Abgeholt von unserem lokalen Auftragsgeber AZUL Consultoria mache ich mich mit meinem Reisepartner Elie Kioutsoukis auf den Weg ins Zentrum der Stadt.
Viele neue Eindrücke wirken auf mich ein: Überfüllte Kleinbusse, sogenannte „Chapas“ (portugiesisch), Toyota Pickups, eine Strasse gesäumt von kleinen Material- und Werkzeugläden, Hütten aus Bambus, Lehm und Palmblättern, uralte Affenbrotbäume, Menschen mit Wasserkanister auf ihren Köpfen, neue Gebäudekonstruktionen, die aus der Erde stechen.
„Die ganze Stadt befindet sich noch immer in einer starken Veränderung“ meint Elie, der bereits mehrmals hier war. Viele Leute kommen, um ein Geschäft zu eröffnen oder in grossen Firmen zu arbeiten. Die Erdgasindustrie verspricht grosses Wachstum.
Im ‘Headquarter’ der Kampagne werden wir freudig von 15 Supatxenjas (Aktivisten der Kampagne) begrüsst. Ein Kuchen in den Kampagnenfarben weiss, blau und grün steht bereit – wir haben die Ehre ihn anzuschneiden.
Das Team der Supatxenjas hat sich versammelt. Die letzten Vorbereitungen für das «Supa Kasting» Festival werden getroffen. Das Festival hat zum Ziel lokalen KünstlerInnen eine Plattform zu bieten und sich für Strassensicherheit zu engagieren. Hier ist es etwas ganz anderes einen solchen Anlass auf die Beine zu stellen. Alles braucht viel Zeit und Geduld. Scheinwerfer mussten in der ganzen Stadt zusammengesucht, Banner in der Hauptstadt Maputo produziert und die Stromversorgung mit Generatoren sichergestellt werden. Für die lokalen Verhältnisse ist das Ergebnis grossartig. «Der beste Anlass, den es in Pemba je gegeben hat!» wie es Azarias (Musiker und Botschafter für die Kampagne) bei der internen Rückbesprechung sagt.
14. November, Tag des «World Day of Remembrance for Road Traffic Victims» und Abend des Supa Kasting Festivals. Wir machen uns bereit für einen «Marcha» durch die Stadt. Begleitet vom Kampagnen- und einem Polizeiauto, ziehen wir über die Hauptstrassen, über den Markt, entlang der Meerespromenade bis zum Casa de Cultura, dem Kulturhaus. Leute schauen uns an und lassen uns vorbeiziehen. Im Anschluss halten verschiedenste Leute Reden: unter anderen der Geldgeber Anadarko, das Strassenamt und eine Schulklasse, die sich seit dem Anfang der Kampagne vor zwei Jahren stark für die Strassensicherheit einsetzten.
Das Kernteam der Supatxenjas geht auf die Bühne und stimmt die Hymne an. Ihr Refrain lautet «Para olha pensa e avanca», das heisst so viel wie «warten, schauen, denken und gehen». Sie wurde vor Ort mit lokalen Musikern entwickelt und ist ein grosser Teil des Erfolges. Bereits am Tag zuvor war uns aufgefallen, dass wirklich fast jedes Kind der Stadt dieses Lied kennt.
Das ‘Supa Kasting’ ist in vollem Gange. Die Zuschauer stehen dicht an dicht und kletterten sogar auf Bäume, um einen besseren Blick zu erhaschen.
Aus 50 jungen Künstlern und Künstlerinnen wurden im Vorfeld 15 Talente ausgewählt. Eine Jury bewertet nun die Auftritte der besten Talente und wählt einen Gewinner aus. Noten gibt es für Auftritt, den Liedtext und das Lied. Thema jedes Auftrittes ist die Strassensicherheit. Jeder gibt sich extrem Mühe einen bestmöglichen Auftritt zu machen. Viele haben zum ersten Mal ein grosses Publikum, wie dieses. Oft gehört nicht nur ein gutes Lied, sondern auch das perfekte Kleid und eine frische Frisur dazu.
Schliesslich wird der Gewinner verkündet und nimmt überglücklich den ersten Preis, ein neues Motorrad mit Helm, entgegen. Auch alle anderen bekommen einen Motorradhelm und unter den ersten Plätzen werden zusätzlich Englischkurse oder Fahrerausbildungen vergeben.
Und so sind fünfzehn neue Lieder für Strassensicherheit entstanden. Schon bald soll eine Musik-CD erscheinen, auf der alle Lieder enthalten sind.
Der weitere Verlauf des Abends wird von bekannten mosambikanischen Sängern und Tänzern gestaltet. Elie und ich verbringen die meiste Zeit hinter der Kamera, um diese schönen Darbietungen festzuhalten.
Dieser Abend ist als ein grosses Ereignis in die Geschichte des Supatxenjas eigegangen. Eine Mischung aus Unterhaltung und ernsthaftem Anliegen. Aber ist das überhaupt möglich? Geht das ernste Thema der Strassen und ihrer Opfer des Spasseshalber nicht unter?
Dieser und weiteren Fragen gehen wir in den nächsten Tagen nach. Wir befragen undser Partner (Strassenamt, Polizei, Kulturamt), Empfänger (Schuldirektoren, Lehrer, Schüler) und zufällige Leute über die Kampagne. Fragen wie „Was ist ein Supatxenja für dich?“ sollen uns zeigen wie stark die Botschaften der Kampagne in den Köpfen der Leute hängengeblieben sind. „ Eine Person, die weiss wie man sich auf der Strasse verhält, die weiss wie man die Strassen überquert…“ (Schulmädchen am Strand von Pemba). Zum Abschluss stimmen wir das Lied der Kampagne an und wir bedanken uns mit einem reflektierenden Armband. Aber wie es aussieht sind unsere Botschaften auch über die Kinder nach Hause, zu ihren Eltern gedrungen: „Ich bin der Kampagne in meinem Alltäglichen Leben nicht direkt begegnet, jedoch kenne ich das Lied, weil es meine Kinder die ganze Zeit sangen“. Für die Zukunft sind sie sich einig:
Wir wünschen uns mehr Aktivitäten in den ländlichen Gebieten und auch im Fernsehen sollte etwas davon zu sehen sein.
In Maputo treffen wir unsere Partneragentur ANIMA, die uns in der Entwicklung unterstützt hatte – wir tauschen uns über unsere Erfahrungen aus.
Es sind wertvolle Erfahrungen und Geschichten, die wir Studenten in diesem Projekt sammeln dürfen. Dabei entwickelt sich eine Zuversicht, dass wir nur zusammen über die Kulturen hinweg eine bessere Welt gestalten können.
Kurz später geht es weiter über Johannesburg, zurück in Zürich, 10 Grad Celsius.
Die europäische Zivilisation begrüsst mich mit all ihrer Abgeschlossenheit und Funktionalität – ich frage mich, wie ein „Xenj“ unserer Gesellschaft aussehen könnte. Ich denke an das Selbermachen, vorhandene Ressourcen, lokale Produktionen. Dinge zu denen man in Afrika oft gezwungen wird. Gerade auf diese Weise könnten wir auch in Europa aktiv werden und eine Veränderung zum Besseren hervorrufen, für uns und die Welt.