transbazar verbessert das innerstädtische Geschehen und Strassenbild, schafft attraktive Arbeitsplätze für ungelernte Jugendliche, erprobt innovative Herstellungsmethoden, zeigt Mut zum offenen Wagnis. transbazar hat mit einer Reihe erster Experimente auf der Avenue A.B. in Mulhouse begonnen, und will ab Oktober 2015 dort ein Bäckerei-Café eröffnen.
Die Globalisierung transformiert nicht nur unsere Bildungssysteme und Arbeitsplätze, sondern auch den Warenvertrieb, die Ladengeschäfte und die Warenherstellung. Der damit einhergehende Zusammenbruch kleiner Läden lässt viele Strassen sterben.
Als Fallbeispiel für diese bedrohliche Entwicklung wirkt die historische Einkaufsstrasse Avenue Aristide Briand in Mulhouse. Bis vor kurzem war sie noch bunt und lebendig. Sie verbindet den städtischen Markt mit dem kürzlich gegründeten openparc, der als städtisches Grossprojekt des gesellschaftlichen Aufbruchs wirkt. Diese Strasse ist in die Krise geraten, und hier wurde im Juni 2015 mit transbazar experimentell und exemplarisch gehandelt. transbazar stellt einen ersten Versuch des noch jungen openparc dar, in seinem eigenen Quartier zu wirken.
transbazar schlägt eine Verschiebung vom reinen Warenvertrieb hin zur öffentlichen Produktion und zum touristischen Erlebnis vor. Dazu will transbazar innovative Formen der Fertigung und des Vertriebs entwickeln. Was kann, was soll mit unseren kleinen Läden und den gesellschaftlichen Austauschformen geschehen, die sie ermöglicht haben? Vier Designschulen aus Paris, London, Basel und Mulhouse wurden eingeladen, für transbazar neue Mischformen zwischen Konsum und Verkauf, Herstellung und Gestaltung zu entwickeln und zu erproben. Daraus hat sich ein lehrreicher Prozess ergeben – während das Ergebnis in der Ladenrealität noch nicht so umwerfend begeisternd war, haben wir in wenigen Tagen doch sehr viele, nützliche Dinge begriffen – beispielsweise, wie man Hausbesitzer überzeugt, wie man geeignete Maschinen und Sensationen für die Ladenrealität baut, und was beim Strassenpublikum ankommt. Als anregend für Designer erwies sich die tagelange Präsenz in einem Ladengeschäft – diese grundlegende Erfahrung sollte in jedes Designstudium fest eingebaut werden.
Für seine Versuche konnte transbazar leerstehende Läden der Avenue Aristide Briand provisorisch umnutzen. Hausbesitzer machen da mit, weil sie so zwei Drittel der wegen dieser Gratisnutzung ihnen theoretisch entgehenden Mieteinnahmen von den Steuern absetzen können. Und da diese Läden teilweise schon jahrelang leergestanden sind, sind zwei Drittel immer noch besser als gar nichts.
Amüsante Situationen entstanden dadurch, dass wir eine geschlossene Filiale der Banque Populaire umnutzen durften: Da wollten Leute uns Geld bringen oder abheben, und sie verstanden anfangs einfach nicht, dass wir ihr Geld weder annehmen noch auszahlen wollten – dass wir eine Bank waren, ohne eine zu sein.
Als Rohmaterial für transbazar durften wir 200 kg schwere, aus neuen Baumwollfäden gepresste Würfel gratis nutzen. Diese Fäden entsprechen nicht den farblichen Qualitätsanforderungen der Textilfirma DMC, auf deren ehemaligem Fabrikgelände openparc zu Hause ist, und deswegen werden sie rezykliert.
transbazar hat eine Recherche in Gang gesetzt, was man mit diesem sinnlich eindrucksvollen Ausgangsmaterial alles anstellen könnte. Langfristig sollen die Fadenwürfel als Basis zur Firmengründung von COCHACO (=Cotton Chaos Company) dienen. COCHACO wird als Sozialunternehmen wirken, um jugendlichen Arbeitslosen zu ermöglichen, unternehmerische Erfahrungen zu machen. Auf diese Weise will openparc für seine Forschung einen sozialen und nachhaltigen Kontext etablieren.
Mit transbazar konnten wir unseren Claim festigen, eine Strasse langfristig als Versuchsfeld zu beanspruchen, denn Mulhouse ist unterdessen an unseren Versuchen interessiert. In der Avenue A. B. wollen wir auch in Zukunft unsere noch unausgereiften Ideen erproben, die wir dann vielleicht eines Tages in ganz Europa vermarkten werden. Die Voraussetzungen sind gegeben, gibt es doch Tausende von leerstehenden Ladengeschäften, Millionen von arbeitslosen Jugendlichen, Tonnen von hochwertigen Recycling-Materialien, und einen kreativen Haufen von ideensprudelnden Designern, die sich in unserem Umfeld befinden. Ebenfalls konnten wir die Stadt davon überzeugen, dass sie uns das soeben in Konkurs gegangene Bäckerei-Café SPITZ, das in unserer Strasse liegt, über mehrere Jahre für transbazar zur Verfügung stellen wird. Damit hat sich wieder einmal gezeigt, wie minimale öffentliche Handlungen sehr viel grössere indirekte Folgen auslösen können.