Ein Pferd galoppiert vorbei, die Geier warten schon. Der Einsame nimmt einen grossen Schluck Rum aus der Flasche – da steht plötzlich eine nachtschwarze Gestalt vor ihm und fordert ihn zum Tanz.
Mit sieben Tagen ist der Filmworkshop Into the Dunes vielleicht der längste Workshop, der am HyperWerk bisher stattgefunden hat. Zunächst aktivieren die beiden Workshopleiter, HyperWerkAlumnus Florian Bitterlin und Diciassette Silvan Rechsteiner, unsere Schreiblust: Wir sollen eine Situation erinnern und schriftlich formulieren, in der wir uns „so richtig lebendig“ gefühlt haben. Daran anschließend bekommen wir die Aufgabe, ohne vieles Nachdenken Listen anzulegen mit Themen und Ideen, die uns interessieren.
Rheinufer. Strandkiesel. Die Uferbebauung ein rohes Idyll. Am zweiten Morgen schauen wir in der Uferbox, einem Einraum-Holzhäuschen, den japanischen Spielfilm „The Woman in the Dunes“, einen Lieblingsfilm des Andrej Tarkovskij. Im Anschluss debattieren wir das Thema und die Idee des Films und besprechen die präzise Aneinanderreihung der Schwarz-Weiss-Aufnahmen und wie sie auf uns wirken.
Anhand der Listen geht es darum, selbst ein Thema und eine Idee zu einem eigenen kurzen Film mit drei Bildern bzw. Einstellungen zu finden, um dann einen Plot mit einer Form zu entwickeln.
Dabei leiten Bitterlin und Rechsteiner uns an, mit einem einfachen, klaren Drehbuchmodell zu arbeiten: Das Thema wird festgelegt durch ein einzelnes Substantiv, wie zum Beispiel „Einsamkeit“, „Ehrgeiz“, „Liebe“ etc. Die Idee ist dann ein ganzer Satz, der eine Erkenntnis formuliert, zu der die Zuschauer*innen am Ende des Films gelangen sollen: „Zu großer Ehrgeiz zerstört Freundschaft.“ Und im dritten Schritt formuliert mensch dann die Anti-Idee, die den Anfang bestimmt und aus der heraus die Hauptfigur ihre Entwicklung durchmacht: „Ehrgeiz bringt ein erfülltes Leben.“ Und zwischen diesen Polen reiht mensch dann entlang des Themas die Situationen auf. Unsere Themen und Ideen schärfen wir in einlässlichen und konzentrierten Beratungsgesprächen mit Florian und Silvan.
Rheinufer. Strandkiesel. Nieselregen früh am Morgen. Unser Kameramann ächzt. „Cut!“ – „Ivanas Film ist im Kasten, auf zum nächsten!“
Für jeden unserer insgesamt sieben Filme haben wir nur eine Stunde Drehzeit; für die Aussenaufnahmen müssen wir die Augenblicke nutzen, in denen es nicht regnet; sodass wir alles minutiös vorbereiten müssen – und dies wiederum elektrisiert uns alle. Die wunderbare, konzentrierte Begeisterung am Set!
Im Zuge dieser Arbeit – oder besser: dieser Arbeiten – werden wir alle geradezu unwillkürlich sehr genau. Wir gelangen dorthin, indem wir das jeweils eigene Konzept vor der Gruppe präsentieren und kritisieren und verbessern und die beiden Dozenten konsequent unsere Entscheidungen einfordern. Es ist einfach eindrucksvoll und mitreissend, Szenographie, Schauspiel – wir spielen jeweils in ein oder zwei Filmen der anderen Workshopteilnehmer*innen –, Licht, Einstellungen und Ton zu entwerfen und dann mit einer professionellen dreiköpfigen Crew und einer phantastischen Kamera zu drehen. Und am letzten Tag stellen wir Rohschnitte her, um im Anschluss alles abermals zu besprechen und nach dem Workshop noch finale Fassungen inklusive Color Grading und Sound Design auszuarbeiten.
Das Bild auf der Leinwand ist gross und klar. Soundtrack à la Ennio Morricone. Der Einsame dreht sich im Tanz mit dem Tod.
Der Schlusspunkt des Workshops ist die Filmvorführung im HGK-eigenen Studiokino. Das war ein vollblütiger Kreativprozess in sieben Tagen. Entführung in die Filmpraxis und in eine grosse, mutige Konzentration. Am Ende hatten wir alle einen kurzen, aber erwachsenen und gültigen Film geschaffen.
Hier die Filmergebnisse der Teilnehmenden aus dem Workshop: