«Aufmerksamkeit kann man kaufen – Unsere Stimmen nicht»

Prozessgestaltung ist immer auch ein Akt der Selbstbewirkung

Mit seiner Aktion und Wemakeit-Kampagne „Mir langets!“ hat unser HyperWerk Alumnus Donat Kaufmann für Furore gesorgt und die Diskussion über inhaltsleere Polit-Werbung und  Transparenz bei Wahlkampfbudgets in Gang gesetzt. Schon vor erfolgreicher Beendigung der Crowdfunding-Kampagne hat er alles erreicht, was er erreichen wollte. National und sogar international wurde berichtet und diskutiert.
Wenn man Prozessgestaltung als das freie aber verzahnte Zusammenspiel von Entwerfen, Produzieren und Gebrauchen versteht, war Donat Kaufmann nicht zufällig so erfolgreich. Denn um einen Prozess zu durchbrechen, anzuhalten oder anzustossen muss man zu allererst einmal den Ankerpunkt oder den Way In definieren um eine eigene gesteuerte Umwucht zu erreichen.

Zu allererst einmal hat er ein Problem klar erkannt, eingegrenzt, formuliert und die Player identifiziert. Je klarer ein Problem oder eine Frage formuliert ist, umso treffsicherer kann die Antwort sein. Die Tiefe der Thematik wird impulsiv angestossen, um einen einfachen Weg in die Köpfe und Gedanken der Zielgruppe zu bekommen. Um dann in breite und mit Fundament diskutieren zu können. Wir gratulieren Donat Kaufmann für seine beherzte und starke Aktion. Und hoffen, dass er an dem Punkt weitermacht, an den er sich und die Diskussion katapultiert hat. Das Problem ist offenbar. Dazu der TagesAnzeiger vom 18.07.2015: „(…) Alleine von April bis Juni zahlten die Parteien – vorab SVP und FDP – laut Media Focus über zwei Millionen Franken für Wahlwerbung. Über die Herkunft des Geldes schweigen die meisten Parteien.“ Mit einher geht eine grosse, themenbezogene Leere.

Während der „Mir langets!“-Kampagne wurden Stimmen laut, sein Handeln sei systemimmanent und damit kontraproduktiv. Systemimmanent ja, aber produktiv. Denn sich in dem System zu bewegen und sich des Systems zu bedienen ist kein Problem, sondern Teil der Strategie. Schliesslich geht es ihm nicht um den Sturz des Systems, sondern um den Sinneswandel einiger der Akteure, die sich dieses Systems bedienen. Und ihre Respektlosigkeit dem Demokratischen System gegenüber, in dem sie mit viel Geld uns mit trivialen Schrott bombardieren. Als sei das irgendwie witzig, die Zukunft, die uns allen wie auch immer am Herzen liegt, mit hirnlosen Dünnsinn zu vergeigen. Das System könnte funktionieren und viele sind bereit sich mit Themen auseinanderzusetzen. Das ist eine beruhigende Erkenntnis.

Und ob am Ende die Community erreicht, dass 20Minuten das Geld zum Beispiel einer Gruppierung spendet, die sich für die Pressefreiheit einsetzt, wird sich zeigen. Es kommt eben auf die über 12’281 UnterstützerInnen an. Und die Gesellschaft, ob sie sich weiter einer medialen und geldgeprägten Demokratie beugen möchte oder eine gesellschaftlich relevant handelnde wählt.

Hier der Wortlaut der Wemakeit-Kampagne:
„Mir langets! Der aktuelle Wahlkampf wird nicht mit Inhalten bestritten, sondern mit Budgets. Die Werbung der SVP auf der Titelseite von «20 Minuten» ist nur die Spitze des Eisbergs. Es gibt einiges, was mich am Schweizer Wahl- und Abstimmungszirkus zunehmend stört. Ich finde, es ist Zeit, ein Zeichen zu setzen!

Die Ausgangslag
Am 15. September 2015 kaufte sich die SVP die Titelseite der Gratiszeitung «20 Minuten». Hauptsächlich, um für einen Song und ein Video zu werben. Politische Argumente finden sich erst auf der Rückseite. Dieses Werbepaket kostet offiziell 164’500 Franken, abzüglich Rabatten wohl rund 130’000 Franken. Wer 130’000 Franken in eine politische Werbung mit vorwiegend unpolitischem Inhalt investiert, dessen Wahlkampfbudget muss beachtlich sein. Beziffern lässt sich der genaue Betrag allerdings nicht, denn die Partei weigert sich, offenzulegen, wer ihre mediale Inszenierung finanziell ermöglicht.

Das Ziel
Meine Crowdfunding-Kampagne hat zum Ziel, 138’815 Franken zusammenzutragen, um mit diesem Betrag am 14. Oktober ebenfalls die Frontseite von «20 Minuten» zu kaufen und ein Gegen-Statement zu setzen. Auf der Frontseite der grössten Gratiszeitung der Schweiz sollen alle Personen mit Namen aufgeführt werden, die sich an dieser Kampagne beteiligen. Zusammen stehen wir ein für folgendes Statement:

«Aufmerksamkeit kann man kaufen – Unsere Stimmen nicht»

Damit können wir vor den Wahlen am 18. Oktober gemeinsam ein wichtiges politisches Zeichen setzen! Mit 5 Franken bist du dabei! Das Einkommen einer Person soll nicht ausschlaggebend sein, sondern der Wille zur Beteiligung. Wir brauchen also insgesamt 27’763 Unterstützer, um die Aktion zu realisieren.

Die Kritik
Konkret habe ich folgende drei Kritikpunkte am aktuellen Wahlkampfzirkus:

  • Intransparenz: Wer welcher Partei wieviel und weshalb spendet, beeinflusst einen Wahl- und Abstimmungskampf entscheidend. Die Offenlegung von Wahlkampfbudgets gehört für mich zu den Grundbedingungen, um mich als Wähler ausgewogen informieren und für eine Person, eine Partei oder ein Programm entscheiden zu können!
  • Inhaltslosigkeit: Als Wähler will ich mit Sachpolitik und ernstzunehmenden Personen und Programmen konfrontiert werden. Im aktuellen Wahlkampf dagegen werden Inhalte weggetanzt, weggesungen und weggelacht.
  • Die Käuflichkeit der Medien ist eine Realität. Wer viel Geld hat, kann seine Meinung effektiver streuen und seine mediale Präsenz steigern. Auch diese Ungleichheit führt zu einer Verzerrung des Abstimmungskampfes und auch sie nimmt Einfluss auf unser Wahlverhalten und unsere politische Haltung.

Ein kleiner Überblick über das Presse Echo:
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