Vier Tage mit vielen Stiften: Im Workshop mit Illustratorin Anna Deér wurde skizziert, kartografiert und gemalt.
Um mit Bildern Denken und Erzählen zu üben.
Da flitzt ein nachtschwarzer Brushpen umher, dort kratzt eine Tuschfeder übers Aquarellpapier. Immer wieder schauen Neugierige durch die Glastür in den weissen Unterrichtsraum und beobachten die auf den Strich ihres Filz-, Blei- Farb- oder Kohlestiftes konzentrierten Hyperwerker*innen. Zwischen den Tischen geht Anna Deér hin und her, schaut über Schultern, berät bei Problemen mit der Perspektive und hilft, Farbe und Stift sowie eine Erzählweise zu wählen.
Dabei geht es nicht darum, Kunst zu machen. Vielmehr geht es darum, mit wenigen Strichen spontan und mutig Geplantes zu visualisieren sowie Getanes zu reflektieren und weiterzudenken.
Im Gespräch mit anderen wiederum können Skizzen ergänzen, was nur schwer mündlich erklärbar ist.
Die einen Workshopteilnehmer*innen kartografieren auf grossen Bögen mit Begriffen, Bildern und Symbolen ein Projektkonzept; die anderen reduzieren eine designgeschichtliche Abhandlung auf fünf Skizzen; und wieder andere versuchen, Recherchenotizen zu verbildlichen. Bald sind eine Reihe Köpfe und daneben kluge Worte auf dem Blatt zu sehen. Jene, die ihrem Handgelenk eine Pause verschaffen wollen, sitzen im Schneidersitz auf dem Boden und blättern durch Bücher, die Anna Deér mitgebracht hat.
Noch ist es ein Ausprobieren, Üben, Wiederentdecken und Aneigenen, und die Workshopteilnehmer*innen sind an eigenen Projekten dran. Knapp einen Monat später wird sich dann im Hinblick auf das Openhouse eine fünfköpfige Gruppe Student*innen erneut aufs mehrere Quadratmeter grosse Blatt setzen und in Übergrösse die Diplomvorhaben zu Papier bringen. In Zeichnungen statt zeilenweise Buchstaben werden Themenfelder und Berührungspunkte rasch erkennbar auf dieser Jahrgangskarte — das Weiss dazwischen als Raum für das Weiterwachsen der Projekte im kommenden halben Jahr.
Bloss zwei Studentinnen sitzen hinter ihren Laptops; die Computer der anderen stets vernetzten Hyperwerker*innen bleiben ausgeschaltet. Sich auf Papier, Stift, die eigenen Gedanken und vielleicht drei, vier ausgedruckte Vorlagenfotos zu beschränken ist ungewohnt. Ablenken lassen kann mensch sich nur vom Kaffeekochen oder eben vom Schmökern in illustrierten Publikationen. Die Möglichkeiten und auch das eigenen Können sind vielleicht beschränkt. Doch gerade diese Beschränkung und Vereinfachung ist es, wofür es sich lohnt, zeichnerisch denken und gestalten zu üben.
Und weil Zeichnen ein Weg sei, der Welt zu begegnen, so Pierre Thomé, Leiter des Luzerner Studiengangs Illustration: «Ein Versuch, die Welt in Bildern zu verstehen und darzustellen, wo Worte allein versagen.» Zeichnen, wo Worte versagen oder auch schon in zu grosser Zahl vorhanden sind, als dass mensch noch einen Überblick behalten könnte. Also: Immer mal wieder Handgelenke und Fingerspitzen statt nur das Hirn arbeiten lassen.
Gewollte Unschärfe ist das, was entsteht, wenn Hyperwerker*innen mal nicht am Computer sitzen. Gewollte Unschärfe entschleunigt und bereichert den Gestaltungsprozess in einer ansonsten hochaufgelösten, marktoptimierten Designumgebung.