Wir Halten Haus – Jahrespublikation 2018

WIR
Das entsteht im Zuhören, Verbinden, Teilen, Unterscheiden, Erinnern, Umschreiben, Behaupten und Beziehungen schaffen.

HALTEN
Das bedeutet, Position zu beziehen, verletzbar zu werden, etwas bewirken zu wollen, zu definieren, zu revidieren und erneut zu behaupten.

HAUS
Das ist die Metapher für das Gestaltbare. Das Haus schafft gemeinsame Voraussetzungen, die unserem Handeln Sichtbarkeit ermöglichen. Die Verortung im Haus gibt Orientierung. Das Beschreiben von Nachbarschaften – innerhalb und ausserhalb des Hauses – befördert Kontextualisierungen. Das Haus bildet ein gemeinsames Fundament und bietet ein Dach. In seinen Räumen werden Begegnung, Austausch, Differenz und Konsens gelebt.

DIE ANLEITUNG
Die vorliegende Publikation zum Jahresthema 2018/19 Wir Halten Haus besteht aus vier Teilen: A, B, R und dem Plakat. Sie bilden gemeinsam die Möglichkeit, sich aus unterschiedlichen Richtungen und Perspektiven wir halten haus anzunähern.

A – Das Glossar: Unser Vokabular. Es entstand im Juni 2018 als Erstes und dient uns allen als Vokabular. Die Beiträge wurden von Diplomand*innen und Dozent*innen verfasst. Das kollektive Gedankengebäude enthält Pfade und Fährten. Die Begriffe wurden unterschiedlichen Räumen zugeordnet und helfen der Leser*in, sich darin zu orientieren.

B – Der Bildband: Er berichtet vom Tun und Handeln im Diplomcamp und bietet visuelle Eindrücke von Beziehungsweisen.

R – Die Reflexion: Topografische Erzählungen. Teilnehmer*innen teilen ihre Gedanken zum Jahresthema. Verschiedenste Innen- und Aussenblicke versammeln sich hier. In der gedanklichen Gleichzeitigkeit lässt sich erkennen, wie vielschichtig und polyphon dieses Jahresthema ist.

Das Plakat: Ein visueller Überblick bietet Raum für Erinnerungen in Form von Illustration und Fotografie. Die Zeichnung erfasst, was während des Camps als normal wahrgenommen wurde, ausserhalb der Diplomausstellung aber nicht denkbar wäre.

WIE WIR HAUSHALTEN WOLLEN
Warum wird der überwiegende Teil der Sorge- und Hausarbeit noch immer von Frauen* bestritten? Feministisch gesprochen ist Reproduktionsarbeit gezielt unsichtbar gemachte und damit von der Gesellschaft abgewertete Gratisarbeit. Eine gemeinsam geleistete Care-Arbeit bedeutet mehr Freiheit für alle.
Das Diplomcamp war eine Gemeinschaft, die die Karten immer wieder neu gemischt hat. Die Rollenverständnisse haben sich als fluid erwiesen. Diese Gruppe hat auf Vertrauen gesetzt. Ihr Begehren ermöglichte es, ungewohnte Alltagsmuster zu lernen.
Ist das eine Form von Pre-Enactment für das Zusammenleben kommender Generationen? Es ist jedenfalls eine Spekulation, die bei den Wurzeln beginnt. Ein Vokabular, um eine Praxis zu verlernen und Beziehungsweisen zu erfinden. Wir gestalten diese Welt! Sie ist commun und resistance zugleich. Und wir schmuggeln auch den Ungehorsam (disobedience) auf den
Vorplatz.
Die Ausstellung als Camp zu begreifen heisst, sich auch zu streiten. Wir zählen keine Erbsen (petits-pois), sondern setzen auf vulner-ability. Klebebänder manifestieren sich hier auf dem Boden als Grundriss und Zeichnung – im Dazwischen entsteht das Leben.

Sprache mit Haltung
Haushalten heisst für uns auch queer-feministisches Sprachhandeln. So verwenden wir in dieser Publikation lustvoll das Sternchen in Formulierungen wie «di*er HyperWerker*in», um eine Vielfalt von Geschlechteridentitäten ausserhalb des binären Spektrums abzubilden. Denn wir wollen schliesslich ein haus für alle* sein.