Ein kollektives Vokabular für gesellschaftlichen Wandel
Im Bachelor-Studiengang Prozessgestaltung am HyperWerk verstehen wir Gestaltung als gesellschaftliche Praxis. Transformation bedeutet nicht nur Veränderung nach Aussen, sondern eine Auseinandersetzung mit Haltungen, Methoden und Formen des Zusammenlebens.
Am 29. und 30. April fand Tools for Transformation (TfT) statt – eine Veranstaltung, an der die Diplomierenden des Studiengangs ihre Abschlussprojekte mit der Öffentlichkeit teilten. Sie machten die Prozesse sichtbar, die sie in den letzten Monaten verfolgt hatten, luden zum Mitmachen ein und eröffneten Räume für Austausch und Beteiligung. Tools for Transformation ist jedoch mehr als eine Veranstaltung – es ist auch eine Methode: Um die vielfältigen Gestaltungsprozesse unserer Studierenden sichtbar und teilbar zu machen, haben wir angefangen, ein Set von «Tools» zu entwickeln – nicht im Sinne von starren Werkzeugen, sondern als ein geteiltes Vokabular. Es beschreibt Haltungen, Handlungsweisen und Praktiken, durch die Prozessgestaltung Form annimmt und zeigt, was Prozessgestaltung alles umfassen kann – und wie wir sie umsetzen.
Diese Tools sind keine standardisierten Lösungen, sondern lebendige, situative Praktiken. Sie können körperlich sein – wie Embodied Practices, die Wissen durch Bewegung und Wahrnehmung erschliessen; oder digital – wie Coding und Digital Exploration, durch die sich Studierende mit KI und Algorithmen auseinandersetzen. Manche sind poetisch – wie Storytelling oder Queering; andere gemeinschaftlich – wie Mutual Aid oder Raising Awareness. Sie können materiell sein – etwa durch Upcycling, Material Exploration oder Handarbeit, oder relational – etwa durch Hosting, Facilitating oder Community Care. Manche Tools greifen explizit in bestehende Systeme ein – wie Commons-Building oder Creating Access, andere tun dies, indem sie spekulative Alternativen entwerfen – wie Worldbuilding oder Prototyping. Manche helfen beim Starten – wie Gathering People oder Co-Creation, andere laden zum Innehalten ein – wie Resting. Gemeinsam bilden sie ein kollektives Repertoire für transformative Gestaltung.
Jedes Diplomprojekt greift auf eine eigene Kombination dieser Tools zurück. In ihrer Vielfalt zeigen sie die Breite unseres Gestaltungsbegriffs: als Forschung, als Care-Arbeit, als Hosting, als Improvisation, als Widerstand, als Weltentwurf und vieles mehr. Die Liste der «Tools» bleibt offen. Sie soll inspirieren, einladen und zum Weiterdenken anregen und wächst mit den Erfahrungen und Perspektiven derjenigen, die sie nutzen.
Projekte am TfT 2025
Wie sehen diese Tools in der Praxis aus? Welche Formen nehmen sie an, wenn sie angewendet, geteilt und weiterentwickelt werden? Einen lebendigen Einblick bot Tools for Transformation 2025: Dieses Jahr wurde das l’avventura – ein Pop-Up im alten Basler Postgebäude am Bahnhof SBB – zu einem Ort für kollaborative gestalterische Praktiken.
Collectivity und Community Building
Projekte wie On Becoming; amplified von Sarina Böhler u.a.* zeigen die Wichtigkeit und Dringlichkeit von Community-Care. Das Projekt begleitet den Entstehungsprozess eines neuen Musikmagazins. Durch Gespräche, Reflexionen und Dokumentation versammelt die ‘Edition Zero’ Wissen darüber, wie und warum ein Kollektiv sich auf diese Reise begibt. Einblicke in den Kontext der Musikszene, die amplified umgibt, gab es beim Live-Panel-Talk.
Storytelling und Erinnerung als politische Praxis
Das Erzählen von Geschichten verstehen wir als zentrale prozessgestalterische Praxis. Im Projekt Was durch uns fliesst von Malena Schmid u.a. wird das kollektive Erinnern an Grossmütter als eine Form des Widerstands gegen strukturelle Ungerechtigkeiten praktiziert. Während TfT hatten Besucher*innen die Möglichkeit, die Textsammlung selbst zu lesen, eine Publikation zu binden und an der Live-Lesung teilzunehmen.
Auch das Projekt Abolitionistische Perspektiven auf das Gefängnissystem der Schweiz von Johanna Langner greift auf Storytelling als politische Praxis zurück. Es vermittelt Lebensrealitäten aus dem Gefängnis in Basel in einem ca. 15-minütigen Audiowalk.
Materielle Recherche und Gestaltung mit Ressourcen
Der Umgang mit Ressourcen und Material eröffnete während TfT eine Vielzahl von Mitmach-Erlebnissen. Projekte wie Project MOLD von Lorenz Giertz, Stroll Mate von Ambre Bork u.a., Material Matters von Selva Meyer u.a., Ärdchlümpe zu Härzchlümpe von Nenya Biedermann u.a. nutzen Techniken wie schimmelbasierte Fermentation, Umformen von Found Goods, Styling von Alt-Kleidern und liebevolle Interaktion mit Dreck als soziale Praktiken, um unsere Beziehung und Verbundenheit mit der Erde zu stärken und in den Vordergrund zu stellen.
Kollektive Lernprozesse im Zentrum
Wissen durch reflexive und spielerische Methoden zu vermitteln ist ebenfalls ein zentrales prozessgestalterisches Anliegen – wie etwa bei Passbüro – Making Identities von Basil Huwyler. Hier entstand eine modulare Lernstation, die diskriminierungssensibles Denken fördert, mit dem Fokus auf dem Thema Geschlecht und Identität.
Insgesamt ziehen sich relationale und verkörperte Praktiken durch viele der gezeigten Arbeiten. Sie alle verbindet das Anliegen, Wissen zu situieren, zu gathern und zu teilen. Tools for Transformation stellte genau dies in den Mittelpunkt. Die Venticinque forderten uns auf, nicht nur zuzusehen, sondern uns aktiv einzubringen und die Grenzen zwischen Wissen, Erfahrung und Handeln zu durchdringen. So entsteht ein Raum, in dem Transformation nicht nur als Konzept, sondern als gelebte Praxis erlebbar wird.
Alle Projekte sind online zu finden unter: toolsfortransformation.hyperwerk.ch
*Die vollen Credits sind auf der jeweiligen Projektseite zu finden.