Was werden wir in Zukunft Arbeit nennen?

Prolog (1): «Die Arbeit ist zunächst ein Prozess zwischen Mensch und Natur, ein Prozess, worin der Mensch seinen Stoffwechsel mit der Natur durch seine eigne Tat vermittelt, regelt und kontrolliert. Er tritt dem Naturstoff selbst als Naturmacht gegenüber. Die seiner Leiblichkeit angehörigen Naturkräfte, Arme und Beine, Kopf und Hand, setzt er in Bewegung, um sich den Naturstoff in einer für sein eignes Leben brauchbaren Form anzueignen. Indem er durch diese Bewegung auf die Natur ausser ihm wirkt und sie verändert, verändert er zugleich seine eigne Natur. Er entwickelt die in ihr schlummernden Potenzen und unterwirft das Spiel ihrer Kräfte seiner eignen Botmässigkeit.» (Karl Marx: Das Kapital. Berlin 1972, Bd. 1, S. 192)

1. Freitag 13. Juni 2014, 23:30h, Bockstecherhof, Basel: Aus dem dunklen e-room des HyperWerks leuchtet ein bläuliches Licht. Ein 3D-Plotter produziert langsam ein organisches Geflecht. Er arbeitet. Der Programmierer döst in einem Stuhl vor sich hin. Draussen wird der Plotter im bläulichen Licht gefilmt. Der Kameramann ist an der Arbeit. Im Hof wummern die Bässe – der DJ ist an der Arbeit. Es wird Bier verkauft, Empanadas werden gekocht – Menschen sind an der Arbeit. Die Tanzenden zwischen Freizeit und Körperarbeit. Menschen im Gespräch – arbeiten sie an neuen Projekten, sind sie in Beziehungsarbeit verstrickt, oder feiern sie einfach den Abschied vom Bockstecherhof?

2. Unser Verständnis des Begriffs Arbeit ist eng mit industrieller Lohnarbeit, mit der Erwerbstätigkeit verbunden. In der postindustriellen Gesellschaft wird die Lohnarbeit zunehmend an Bedeutung verlieren. Auch ohne Stechuhr ist die Lohnarbeit jedoch tief in uns als Verpflichtung eingeschrieben.(2) Mit Erwerbsarbeit verbinden wir Lebenssinn und gesellschaftliche Legitimation. Dieses mentale Verständnis wird jedoch zunehmend prekär. Uns wird diese Form der Arbeit langsam aber sicher ausgehen. Über kurz oder lang wird die Entwicklung der Produktivkräfte, verbunden mit dem Zwang zu einer nachhaltigen Postwachstumsgesellschaft, die klassische Erwerbsarbeit reduzieren.

3. Eine weitere Steigerung der Produktivität wird unter Ökonomen kontrovers diskutiert. Die Entwicklungen der Robotik, des Computer-Aided-Manufacturing und -Engineering im industriellen Sektor, der Flächenertragssteigerungen in der Agronomie sowie der Vernetzung von Information im Dienstleistungsbereich lassen weitere massive Produktivitätssteigerungen zumindest als wahrscheinlich erscheinen. Ob diese Steigerungen durch Erwerbsarbeit im sozialen Bereich – zum Beispiel durch die steigende Lebenserwartung – aufgefangen werden, ist mehr als fraglich. Die Lösung der ökologischen Krisen und die notwendigen Konflikttransformationen in einer enger werdenden Welt werden der Menschheit noch viel Arbeit, auch Erwerbsarbeit bescheren. Aber gehen wir positiv denkend davon aus, dass diese Herausforderungen des 21. Jahrhunderts auch in diesem Jahrhundert gelöst werden können.(3)  Was bleibt dann übrig, was wir aus einem industriellen Verständnis heraus mit Arbeit bezeichnen könnten?

4. Ein weiteres Problem ist bereits heute sichtbar. Wie Thomas Piketty(4)  umfassend darstellt, radikalisiert sich die ungleiche Vermögensverteilung in den letzten zwanzig Jahren wieder in Richtung der Belle Epoque des ausgehenden 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts. Wenn Arbeit in Form von Erwerbstätigkeit zurückgeht, stellt sich ultimativ die Frage, wie dann Reichtum verteilt wird. Internetfirmen wie Google oder Facebook zeigen das Problem exemplarisch auf. Die Nutzer produzieren einen grossen Teil des Wertes.

Mit verhältnismässig wenigen eigenen Arbeitskräften wird viel Kapital erwirtschaftet, und es werden wenige Vermögende produziert.(5)  Um den Konsum und die Wirtschaft anzukurbeln, muss das Geld verteilt werden; eine triviale ökonomische Feststellung. Was aber geschieht, wenn die Verteilung nicht mehr über Lohnarbeit geschehen kann? Nicht weil der «böse Kapitalist» das Geld für sich behalten will,(6) sondern schlicht weil die Lohnarbeit nicht mehr in dem für die Verteilung notwendigen Ausmass existiert. Andere Verteilsysteme wie das in der Schweiz diskutierte bedingungslose Grundeinkommen(7) werden dann zu einer Notwendigkeit. Das ginge jedoch nur dann einigermassen schmerzlos, wenn wir unsere Arbeitsethik durchbrächen und ein neues Verständnis von Arbeit entwickelten. Die lange Geschichte der wiederholt verlorenen Abstimmungskämpfe um die 40-Stunden-Woche in der Schweiz zeigen, wie tief das Arbeitsethos im kollektiven Bewusstsein verankert und mystifiziert ist.(8)

Der Wert der unentgeltlichen Arbeit – der Hausarbeit, der Subsistenzwirtschaft, des künstlerischen und gestalterischen Tätigseins, der Freiwilligenarbeit, der Hobbies, des Flanierens und Sinnierens, des gesellschaftlichen und sozialen Handelns – müsste zuerst an gesellschaftlicher Anerkennung gewinnen, um für neue Verteilmechanismen ein Feld vorzubereiten.

5. Innovationen haben ein zerstörerisches Potential. Indem sie Bestehendes zerstören, verändern sie die Verhältnisse. Der unternehmerische Mensch ist in seinem Kern eine anarchische Kraft.
In seinem Stoffwechsel mit der Natur schafft sich der Mensch und seine sozialen Bedingungen selbst. Dies immer wieder von Neuem. «Arbeiten ist gefährlich. Man setzt neue Produkte in die Welt, die zunächst einmal niemand braucht. Man lässt sich auf Formen des Umgangs miteinander ein, die gegen alle guten Sitten verstossen. Und man verwendet Zeit für sie, die andernorts verlorengeht. Es ist daher kein Wunder, dass das Arbeiten in allen Gesellschaften zu den am meisten kontrollierten und regulierten Sachverhalten gehört. Die Form dieser Kontrolle und Regulation ist schlicht: Arbeiten ist generell verboten und nur ausnahmsweise gestattet; und die Ausnahmen sind bis ins Detail von der Gesellschaft geregelt. Geregelt ist, welche Produkte beim Arbeiten entstehen dürfen. Geregelt ist, wie man beim Arbeiten miteinander umgeht. Und geregelt ist, wie viel Zeit für die Arbeit aufgewendet werden darf.» (9)

«Die Kontrolle und Regulation von Arbeit hat einen Namen. Wir sprechen von Organisation. Organisationen sind die Art und Weise, so hat Niklas Luhmann den Sachverhalt einmal formuliert, wie Gesellschaften über Arbeit kommunizieren.» (10)

Verändern wir unser Verhältnis zur Arbeit und entwickeln wir ein anderes Verständnis unserer Arbeit, so greifen wir unmittelbar und grundlegend in die Organisation der Gesellschaft ein.(11)

6. Und da steht er nun, im Kellergeschoss des Media Markts beim Bahnhof Basel SBB: ein 3D-Plotter, ganz Media Markt, nicht ein Produkt von MakerBot New York, USA, sondern von einer günstigeren Nachahmermarke, bereit für den Massenmarkt. Produziert werden wohl beide in China oder an einem anderen Ort in Fernost. Der Plotter erinnert mich an meinen ersten Mac Plus 1985 mit seinem magischen Versprechen des Desktop-Publishing und der Musikproduktion. Tiefgreifende Veränderungen in der Graphik- und Druck- sowie in der Musik- und Film-/Videoindustrie sind symbolisch an den Markteintritt des Apple Macintosh gebunden. Das berühmte Werbevideo(12) zum SuperBowl 1984 enthält alles, was sich theoretisch aufarbeiten und begründen lässt; die Vision der entfremdeten Arbeit in einer diktatorischen Gesellschaft (George Orwell, «1984») und die Heilsbotschaft der Freiheit und Individualität durch eine neue Technologie; historisch von heute aus gesehen natürlich auch die Problematik einer solchen technologiebedingten Heilsbotschaft an sich.

Wie der Mac, so bringen der 3D-Plotter, die FabLabs(13)  oder die CNC-Produktionstechniken ein Versprechen mit sich: In Zukunft wird die industrielle Produktion individuell, und es werden geschlossene Produktionszyklen möglich sein.(14) Das digitale Handwerk wird zur Massenbewegung. Die Konsequenzen eines solchen Szenarios sind radikaler als die Konsequenzen des Desktop Publishing. In der Produktion von physischen Dingen ist sie vergleichbar mit der Internetrevolution für die Organisationen allgemein, die Unterhaltungsindustrie oder die Wissenskonfiguration. Die Segregation des Raumes in Arbeit, Wohnen und Freizeit sowohl lokal in den Städten als auch global in einer weltweiten Arbeitsteilung wird angesichts dieser zukünftigen Produktionsstrukturen in Frage gestellt. Dies ist nicht nur räumlich, sondern auch funktional zu verstehen. Wo beginnt Arbeit, und wo endet Freizeit? Hier aber nicht verstanden aus der Sicht der virtuellen Verlängerung der Erwerbstätigkeit in die Freizeit hinein,(15) sondern aus der Sicht der selbständigen und zumindest teilweise selbstbestimmten Tätigkeit heraus.

Die Technologie ermöglicht einmal mehr die Individualisierung, die Flexibilisierung und gesamthaft die Neudefinition dessen, was wir Arbeit nennen. Industrielle Produktionsmittel werden finanzierbar für Einzelpersonen, kleine Gruppen und für Kleinunternehmen. Andere Organisationsformen der Vernetzung, genossenschaftliche und ähnliche Strukturen werden im industriellen Bereich wieder verstärkt denkbar und notwendig, um tragfähige Strukturen der sozialen Absicherung und Solidarität zu entwickeln. Denn wie wir aus den «Ich-AGs» wissen, kippt spätestens hier eine Freiheit in eine prekäre Situation.

7. Die letzten zwanzig Jahre des Aufkommens des Internets und der digitalen Vernetzung waren begleitet von Versprechungen zur Demokratisierung des Wissens, des Aufbrechens der Medienhegemonien oder der Entwicklung der Telearbeit als individualisierte, flexiblere und befreitere Form der Arbeit. Einiges davon wurde auch eingelöst oder ist zumindest noch in der Schwebe. Die grossen Organisationen haben gleichzeitig gelernt, sich im Fluss der Informationen zu bewegen – sie können flexibler, problemorientierter, ergebnisoffener, schneller reagieren.(16) Big Data wird zur Spielmasse der Analysen und Interpretationen – in ihrer Komplexität der Analyse jedoch fast nur grossen Organisationen zugänglich.

Die Unternehmen haben gelernt, andere Formen der Erwerbstätigkeit nach ihren Bedürfnissen durchzusetzen, global die Arbeit noch sehr viel stärker an den jeweils günstigsten Standort zu verlagern und zu den günstigsten Konditionen einzukaufen. Die Einkommensschere und in erster Linie die Vermögensschere gehen auseinander, das akkumulierte Kapital bleibt in wenigen Händen.

8.  Die seit 2008 sichtbare ökonomische Krise führt zu neuen Nationalismen. Die Austeritätspolitik bedient sich der Schulden in extremis als Machtinstrument – zuerst die Verschuldung fördern, dann die Sparprogramme durchsetzen. David Graeber(17) ist dem Ursprung des Geldes aus anthropologischer Sicht nachgegangen und stellt dabei die Schulden als wirksames Macht- und Unterdrückungsmittel ins Zentrum. Von Bedeutung ist auf mentaler Ebene die Verknüpfung der ökonomischen mit der moralischen Schuld und deren Festsetzung in unseren Denk- und Wertesystemen. Umgekehrt ist die Virtualität des Begriffes Geld damit verbunden – Geld ist letztlich Information; nicht weniger, aber auch nicht mehr.

9. Was haben der einsame 3D-Plotter im Media Markt und die idealistischen FabLaber(18) mit der Makroökonomie zu tun? Sie sind über den Begriff der Arbeit, über die Arbeit regulierenden Organisationsformen und ganz direkt über die Schulden miteinander verbunden. Im Projekt «Enter Views on Crisis» untersuchen wir länderübergreifend in Europa Lösungsansätze zur Überwindung der Krise/n. Eine der ersten Erkenntnisse ist die Notwendigkeit der Öffnung des Begriffes Krise, weit  über die makroökonomische und finanz-politische Seite hinaus – auch über die heutigen strukturellen Probleme gerade der südeuropäischen Länder hinaus. Im Kern reden wir über eine epistemische Krise, eine Krise der Erkenntnisgenerierung, der Konfiguration und der Produktion von Wissen.

10. Arbeit verstanden als Stoffwechsel mit der Natur, der Mensch dabei verstanden als Resultat seiner Arbeit – diese Festlegungen bedingen ein anderes Verständnis der Welt und unserer Handlungsräume. Dies ist als ande-res Verständnis der Produktion von Wissen zu verstehen.

Das dialektische Grundverständnis meint in der Umkehrung auch die menschliche Natur, ihre Kultur. Diese steht im Stoffwechsel mit der Arbeit und ist deren Produkt. Entwicklungssprünge als Synthesen dieses Verhältnisses sind fest in diesem Denken eingraviert. Lässt sich mit dieser Denkfigur arbeiten? Zur Erreichung klarer und lösbarer Fragestellungen greift die Moderne zur Säuberung.(19) Das Innen wird durch eine klare Trennlinie vom Aussen abgetrennt – das Trennende und der Trennende werden gemeinsam mit dem Aussen ausgeklammert – dieses gesamthaft auch als «Drittes» zu Verstehende wird negiert.(20) Diese Grundmethode war wissenschaftlich und sozial über eine lange Zeit ziemlich erfolgreich.

Die Lösungen komplexer Probleme jedoch, die Analyse und Abwendung der ökologischen Katastrophen, die Möglichkeiten der Analyse grosser Datenmengen(21) zur Lösung sozialer, ökonomischer, natur- und auch geisteswissenschaftlicher Fragestellungen mit inter- und transdisziplinären Methodiken – all dies bedingt neue Formen der Wissensproduktion, die diese Säuberungen und Reduktionen hinter sich lassen können.

11. «Kannst Du davon leben?» – Diese Frage begleitet KünstlerInnen und GestalterInnen ein Leben lang. Die Umkehrung – «Kannst Du noch künstlerisch/gestalterisch arbeiten?» begleitet die DozentInnen und Angestellten von HGKs und Universitäten. Beide Fragen können als Resultate eines Säuberungsversuches verstanden werden: Die Erwerbstätigkeit gilt als hegemoniales  System der «richtigen» Arbeit» – und andere Formen der Arbeit, in unserem Falle die Kreativarbeit, gelten als eine zu isolierende, gesellschaft-lich abzutrennende Form. Diese Art der Säuberung war schon immer falsch, wenn auch als Disziplinierungsmassnahme erfolgreich und in der jeweiligen gesellschaftlichen Situation teilweise auch nachvollziehbar und notwendig. Sie zerstört Innovation und stützt damit die jeweilige gesellschaftliche Organisationsform.

12. Richard Florida(22) postuliert die kreative Klasse als Notwendigkeit für innovative, erfolgreiche Städte und Regionen. Tim Browns Durchsetzung des «Brand» Design Thinking(23) ist es zu verdanken, dass die gestalterischen Entwurfsmethoden als geeignete Werkzeuge für die Analyse und Veränderung verschiedenster organisatorischer und gesellschaftlicher Probleme erkannt werden. Kreative Formen von Arbeit sind für Innovationen notwendig. Nur sind diese Formen der Arbeit in einer gesäuberten, isolierten Form kaum als Erwerbstätigkeiten zu realisieren.

13. Wie könnten vorläufige Schlussfolgerungen und Forderungen aussehen? Bruno Latour unterscheidet in «Eine neue Soziologie für eine neue Gesellschaft»(24) zwischen der Vogelschauperspektive, der grossen Übersicht und der ANT oder Ameisenperspektive, der detaillierten und faktenreichen «Feldforschung» in der Soziologie. Er warnt vor dem Mittelweg eines bodennahen Überflugs und einer unpräzisen Kombinatorik.(25) Angewendet auf unsere Fragestellung «Was werden wir in Zukunft Arbeit nennen?» lässt sich Folgendes fordern: Die Transformation der Gesellschaft ist auf allen Ebenen in vollem Gang. Die nächste Gesellschaft können wir nur erahnen. Unser Verständnis von Arbeit wird sich in Zukunft radikal verändern. Oder vielleicht auch nicht? Arbeit ist gefährlich und steht in engstem Verhältnis zu den Organisationformen jeder Gesellschaft. Deshalb sind unsere idealistischen Gehversuche mit neuen Arbeitsformen sehr umsichtig zu handhaben. Auch an kleinen Veränderungen ist beharrlich zu arbeiten. Widerspruch ist überall dort anzumelden, wo neue Arbeitsformen in alte Organisationsformen eingegliedert werden. Oftmals geschieht dies unter wohlklingenden Begriffen wie  «Entrepreneurship», meint jedoch nur eine Disziplinierung und Einbindung in die bestehenden Organisationsstrukturen und Ökonomien. Ohne die gleichzeitige Arbeit an neuen Organisationsformen, an neuen Formen der sozialen Absicherung und Solidarität, gekoppelt mit einem makroökonomischen und politischen Verständnis der grös-seren Bewegungen, sind neue Formen der Arbeit nicht nachhaltig zu haben. Neue Arbeitsformen sind in ein Verständnis von neuen Wissensproduktionsformen zu stellen – «unsauberes» Handeln, Forschen, Erkunden von neuen Arbeitstechniken(26) hat seine Funktion und seine Ästhetik in der Suche nach neuen Lösungen.
Samuel Becketts «Wieder versuchen. Wieder scheitern. Besser scheitern.»(27) können auch wir uns einprägen. Bei Stanislaw Wawrinka hat diese Tätowierung immerhin zu einem Mastersieg in Melbourne 2014 geführt.

Text: Max Spielmann, Mitglied Leitungsteams HyperWerk

1_«Der Prolog ist der ganze Teil der Tragödie vor dem Einzug des Chors.» Aristoteles, Poetik S.22, Stuttgart: Reclam, 1994
2_»Jener eigentümliche, uns heute so geläufige und in Wahrheit doch so wenig selbstverständliche Gedanke der Berufspflicht, einer Verpflichtung, die der einzelne empfinden soll und empfindet gegenüber dem Inhalt seiner «beruflichen» Tätigkeit, gleichviel worin sie besteht, gleichviel insbesondere ob sie dem unbefangenen Empfinden als reine Verwertung seiner Arbeitskraft oder gar nur seines Sachgüterbesitzes (als «Kapital») erscheinen muss – dieser Gedanke ist es, welcher der «Sozialethik» der kapitalistischen Kultur charakteristisch ist.«Max Weber, Die protestantische Ethik und der «Geist» des Kapitalismus, 1904/05). Aus: Schriften 1894 – 1922, Stuttgart 2002, S. 165
3_Natürlich sind die dystopischen Zukunftsängste mehr als berechtigt. Eine zerstörte Welt wie in «Mad Max», eine Welt des Dickichts der Überbevölkerung wie in «Blade Runner» oder die diktatorischen Systeme wie in «Gattaca» oder «THX 1138» sind filmische Variationen dieser Dystopien. Als Ängste sind diese Vorstellungen wenig hilfreich, um Lösungsszenarien für die Herausforderungen der kommenden Jahrzehnte zu skizzieren – das negiert nicht die Möglichkeit ihres Eintretens.
4_Thomas Piketty, Das Kapital im 21. Jahrhundert. München 2014
5_«Was uns bevorsteht, ist die Aussicht auf eine Arbeitsgesellschaft, der die Arbeit ausgegangen ist, also die einzige Tätigkeit, auf die sie sich noch versteht. Was könnte verhängnisvoller sein?» Hannah Arendt, Vita activa oder vom tätigen Leben, München, 2002, S.13
6_Auch hier werden die Tendenzen der vermögenden Schichten, ihre Macht auszuspielen und durchzusetzen, nicht negiert. Es wird «einfach» von einem vernünftigen Handeln ausgegangen, welches eine gerechte Verteilung der Güter über einen längeren Zeitraum als sinnvoll einsieht. Dass diese «Einsicht» nicht ohne massive soziale Auseinandersetzung erkämpft werden muss, bleibt unbestritten.
7_ http://www.grundeinkommen.ch
8_Man denke an die Mythisierung der Schweiz als Binnenland ohne natürlichen Zugang zu Rohstoffen und damit zur Überhöhung der Arbeitskraft und Produktivität als Notwendigkeit.
9_Dirk Baecker, Studien zur nächsten Gesellschaft. Frankfurt 2007 S.56

10_Ebd., S.57, Niklas Luhmann zitierend: «so etwa in: Niklas Luhmann, Organisation. In: Joachim Ritter und Karlfried Gründer (Hrsg.), Historisches Wörterbuch der Philosophie. Bd. 6, Basel/Stuttgart, 1984, Sp. 1326-1328.»
11_z.B. Holm Friebe, Sascha Lobo, Wir nennen es Arbeit. München, 2006. Die Beschreibung der «digitalen Bohème» ist eine Beschreibung einer Generation, die spezifisch in der Kreativwirtschaft Lücken des Systems nutzt und zwangsweise nutzen muss. Darin entwickelt sich ein neues Verhältnis zur Arbeit.
12_http://www.youtube.com/
13_http://de.wikipedia.org/wiki/FabLab – einfach als Einstieg für alle, dieser Begriff noch nicht geläufig ist.

14_Eines der Ziele der FabLabs ist die Reproduktion der eigenen Maschinen. Alle Einzelteile einer neuen Maschine lassen sich dann mit bestehenden Maschinen innerhalb eines FabLabs produzieren. Einzig die Rohstoffe müssten dem FabLab zugeführt werden – ein Ziel, dem die Fab-Labs schon heute recht nahekommen.
15_Gemeint ist hier beispielsweise die ständige Erreichbarkeit mittels digitaler Technologien.
16_Der Novartis-Campus in Basel ist exemplarisch für ein zeitgenössichen Verständnis von Organisation mit dem Versuch, ein offenes Klima der Innovation nach innen mit gleichzeitiger Abgrenzung nach aussen zu entwickeln. Dies mit all seinen sozialen Nebeneffekten.
17_David Graeber, Schulden: Die ersten 5000 Jahre. Stuttgart 2012
18_Dieser Artikel bezieht sich stark auf neue Formen von Arbeit im Bereich des digitalen Handwerks und im industriellen Sektor. Ähnliche Bewegungen können in der Urban Agriculture, in der sharing economy, bei airbnb, Uber (www.uber.com), bei Mittagstischen wie eatwith.com und in vielen weiteren Bereichen festgestellt und analysiert werden.
19_Dazu die Arbeiten von Bruno Latour, zentral: Wir sind nie modern gewesen – Versuch einer symmetrischen Anthropologie. Frankfurt 2008
20_Diese Denkform spielt naürlich auf George Spencer Brown an, ohne zu behaupten, dessen Gedankengänge und Konsequenzen wirklich durchdrungen zu haben: G. Spencer Brown, Laws of Form – Gesetze der Form. Leipzig 2004
21_Nebst der Gefahr der umfassenden Datenüberwachung fasziniert an Big Data die «Datenakrobatik», die es ermöglicht, quasi phänomenologisch Datenstrukturen zu beobachten und ohne eigentliche Hypothese Datencluster aufzuspüren und erst dann zu spezifischen Hypothesen zu gelangen. Siehe dazu Heinrich Geiselberger und Tobias Moorstedt, Big Data: Das neue Versprechen der Allwissenheit. Berlin 2013
22_Richard Florida, The Rise of the Creative Class: And How It’s Transforming Work, Leisure, Community, and Everyday Life. New York 2004
23_Tim Brown, Change by Design: How Design Thinking Transforms Organizations and Inspires Innovation. New York 2009
24_Bruno Latour, Eine neue Soziologie für eine neue Gesellschaft. Frankfurt 2007
25_Dies ist ein Vorwurf, der dem vorliegenden Artikel gewiss auch zu machen ist. Damit lässt sich leben, wenn dieser Artikel als Skizze eines Arbeitsprogramms und als Suchbewegung verstanden wird.
26_Hierzu sei Richard Sennett, Zusammenarbeit: Was unsere Gesellschaft zusammenhält, Berlin 2012, und Handwerk. Berlin 2009 empfohlen. Der Wert des impliziten Wissens des Handwerks als einer spezifischen Form der Wissensproduktion ist gesellschaftlich zurückzugewinnen. Es lässt sich eine Analogie zur Zeitwende vom Buchdruck zur Informationsgesellschaft als eine «Rückkehr» des Oralen herleiten. Dazu natürlich Marshall McLuhan, Die Gutenberg-Galaxis: Die Entstehung des typographischen Menschen. Hamburg 2011
27_Samuel Beckett, Worstward Ho, 1983. In: Samuel Beckett,  Company et al., London 2009 – Im Original: «All of old. Nothing else ever. Ever tried. Ever failed. No matter. Try again. Fail again. Fail better.»