Bergen trifft in Thessaloniki auf Basel. ArchitekturstudentInnen aus dem kühlen Norden, eine KüchenaktivistInnengruppe aus dem HyperWerk, eine griechische Architekten- und Stadtplanergruppe sowie eine Mediengruppe aus Thessaloniki arbeiten an einem gemeinsamen Workshop im LABattoir.
Der Einstieg findet über den Welt bekannten 1895 gedrehten Film der Gebrüder Lumière statt. Im LABattoir Thessaloniki verlassen wir im März 2018 jeden Abend das Gebäude auf dieselbe Art und Weise: Was hat sich in der Zwischenzeit verändert? Wo, wie und was arbeiten wir? Wie öffentlich, pro-duktiv oder re-produktiv findet das statt?
Was stellen wir her, und was davon lässt sich reproduktiv ersetzen? Das Rad ist schon erfunden. Weshalb wollen wir neue, andere Räder herstellen? Und wozu dienen diese? Welche Rolle spielt der informelle Sektor in einer globalen Gesellschaft? Wo und wie kann ein öffentlich geführter gemeinsamer Dialog aller Beteiligten stattfinden, um darüber nachzudenken, zu sprechen, was wir wie unter Arbeit verstehen?
Die HyperWerkerInnen eröffnen den Diskurs mit ihrem KitchenLAB.
Sie zeigen auf, wie sie an scheinbar überflüssige Nahrungsmittel herankommen und damit ganze Heerscharen von Menschen ernähren können. Sie tun dies international gut vernetzt mit anderen Kollektiven, viel Eigeninitiative, eigenen Gerätschaften und Kochutensilien, die erschwinglich und multifunktional einsetzbar sind.
Dabei wird der Pavillon vor dem Schlachthof als Plattform der neu gegründeten Gruppe „LABeta“ gekapert und als Bauhütte gedacht. Legal / illegal und Grauzonen sind Begriffe, die immer wieder auftauchen: in Gesprächen beim gemeinsamen Gemüserüsten oder Schrankbauen. Beim Abwasch oder beim Besuch der verschiedenen Märkte und Gemeinden rund um Thessaloniki.
Jetzt wird in Dreiergruppen gezeichnet, um die Anwendung von „tacit knowledge“ in kleinen Workshops zu üben. Was lässt sich stumm vermitteln, wenn einer vorzeichnet und zwei mittun? Und was, wenn einer Linkshänder ist und deshalb dem griechischen Kollegen dauernd über die Schulter blicken muss? Axonometrie übers Kreuz, Gehirnhälftengymnastik im Lande des sagenumwobenen Pythagoras. Aber auch abstrakte Kritzeleien in kurzen 20 Minuten: effektive Crashkurse mit bleibendem Erkenntnisgewinn. So denkt der Nachbar: dem anderen über den Körper ins Gehirn schauend – unvergesslich fremd, logisch und attraktiv.
Der erste Frühlingstag unter dem Sonnensegel an langen Tischen vor dem LABattoir. Das gemeinsame Essen: sich eine Woche immer mit neuen Menschen treffen. Über das bedingungslose Grundeinkommen und Möglichkeitsräume diskutieren, mitrüsten, mitdenken und diskutieren. Sich über Selbstermächtigung, Regeln und Verbote unterhalten. Aber auch Probleme ansprechen, die sich beliebig zu multiplizieren scheinen. Die Woche verfliegt im Nu. Mal donnert der Regen einen Nachmittag lang auf das Metalldach, und die Kaffeetassen füllen sich. Jeden Abend findet ein gemeinsamer Austausch aller drei Gruppen statt. Das KitchenLAB ist geheime Herdstelle, die Suppe köchelt immer, damit niemand hungert oder unbeteiligt wegläuft. Das, was wir gerade erschaffen, geht uns alle an. Und darüber sind alle aufgefordert zu sprechen, was sie auch gerne und ausgiebig tun. Dazu braucht es Raum, Vertrauen und Zeit.
Epilog
Was bleibt, wenn all diese Energie verschwindet und die WorkshopteilnehmerInnen in alle Windrichtungen auseinandergehen? Wer kocht weiter, belebt die Bauhütte und schmiedet neue Pläne? Wer und was ersetzen den Bus und den guten Geist der KitchenLAB Crew, die mit Mut, Ausdauer und Sommerpneus von Basel nach Thessaloniki fuhr, durch Schnee, Regen und den halben Balkan?
Lastenvelos und deren Herstellung sind ein Thema seit dem Mapping-Workshop vom vergangenen Dezember. Sie würden viel zur Unabhängigkeit der TeilnehmerInnen des LABattoir beitragen. Auch Fragen von Nachhaltigkeit und Recycling mit einer Verbindung zu verschiedenen ProduzentInnen der Stadt sind Thema. Und an ihnen könnten sich zukünftige „Maker“ üben.
Das lokale und vom HyperWerk gegründete MediaLAB aus Thessaloniki zeichnet multimedial das Geschehen auf und wirkt als Multiplikator an demokratischen Grundlagen parallel zu den verschiedenen Veranstaltungen mit. Jede Meinung zählt, und erst das freie Sprechen und Aufzeichnen in Workshops kann eine solche Vielfalt weitergeben und abbilden. Alle, die schon mit Medien gearbeitet haben, wissen, mit welchem Aufwand eine solche Aufbereitung verbunden ist.
Auch Kinder und Jugendliche der Stadt Thessaloniki sollen eine Ausbildungsmöglichkeit aktiv nutzen können. Und das kann vom LABattoir künftig geplant und angeboten werden.
Die griechischen Ostern sind in vollem Gange. Und die TeilnehmerInnen aus Thessaloniki treffen sich weiterhin vor Ort, auch ohne uns. Und Maria? Sie war bei uns auf dem Campus in Basel. Dort steht eine Metallskulptur auf dem Vorplatz, kein trojanisches Pferd.