Zur Bleibe ist für mich ein Projekt, was durch sein agieren Begegnung und Integration möglich macht und durch sein Handeln in die Öffentlichkeit wirkt – unkompliziert, politisch, sinnlich, empathisch, konsequent und würdevoll. Am 3. September 2015 durfte zur Bleibe im Basler Rathaus den 2. Preis des Basler Preises für Integration entgegennehmen.
Das Kollektiv eröffnet nun sein Vereinslokal ab September 2015 an der Müllheimerstrasse 157. Jeweils dienstags Abend laden sie zum gemeinsamen essen ein.
Basel, 3. September 2015
Ich begrüsse Sie alle sehr herzlich hier im Grossratssaal und freue mich die Laudatio auf zur Bleibe halten zu dürfen einem Projekt, was Dank Mut, Überzeugung und Zuversicht seit rund zwei Jahren existiert. Mein Name ist Laura Pregger, ich bin Mitinitiantin des selbstinitiierten Ausstellungsraumes Depot Basel am Voltaplatz und habe somit eine leise Ahnung, wieviel Engagement und ehrenamtliche Arbeit, die drei nominierten Projekte enthalten.
2013 höre ich das erste Mal von zur Bleibe, eine Gruppe von Menschen, die zusammen kochen möchte – dazu wollen sie Asylsuchende einladen. Nicht nur zum Essen, sondern auch zum Mitkochen und gegenseitigen Kennenlernen im Park. Ich denke, was für eine einfache und schöne Idee, sich die Gastfreundschaft zu Herzen zu nehmen und sie gemeinsam spontan zu teilen.
Ein weiteres Mal begegnet mir zur Bleibe auf dem Dreispitz-Campus, wo ich am Institut Hyperwerk, als externe Mentorin arbeite. Erneut unerschrocken und pragmatisch macht sich das Kollektiv in Form eines Mittagstisches einen Namen. Gekocht wird jeden Montag – mit Leidenschaft und Improvisationskunst, aus dem was die Überflussgesellschaft hergibt und wie die Bedingungen es zulassen.
Es regnet an jenem Tag und gemeinsam sitzen wir gemütlich neben der einfachen Küche. Das Team ist eingespielt und man verständigt sich auch mit Händen und Füssen. Alle Tische sind besetzt. Wir rücken noch ein wenig enger zusammen. Studierende, wie DozentInnen geniessen hier das unkonventionelle Mittagessen und tauschen sich auch über das Anliegen des Projektes aus. Jeder bezahlt soviel er will und kann. Ich habe selten so gute, handgemachte Gnocchi gegessen! Abwaschen tut am Ende jeder selbst.
Vor einigen Wochen vernehme ich mit Freude, dass zur Bleibe weiter wächst und besteht. Nebst der selbstgebauten, mobilen Küche, mit der die Gruppe auch an Festivals wie dem Wildwuchs, auf ihr Anliegen aufmerksam macht, wird der Verein nun auch ein Lokal betreiben, was als Anlaufstelle dienen soll. Ich besuche die Gruppe, während der Umbauarbeiten. In der Garage steht der Mofa-Anhänger auf dem ortsunabhängig gekocht werden kann, in einem grossen Regal lauter Einmachgläser. Die vom Foodsharing erhaltenen Lebensmittel werden nicht nur direkt verkocht, sondern auch eingemacht. Im Gespräch erfahre ich, dass hier ein Ort entstehen, zum Diskutieren und Verweilen. Künstlerische Interventionen werden genauso ihren Platz finden, wie Filme, die thematische Anknüpfungspunkte bieten und natürlich ein Mittagstisch.
Entscheide, so wird mir erzählt, werden stets basisdemokratisch getroffen. Alle die sich dem Kollektiv zugehörig fühlen und mitanpacken, haben ein Mitspracherecht. Die Mitglieder des Vereines setzen sich aus Personen aus den verschiedensten Bereichen zusammen. Von StudentInnen der Uni und der Hochschule für Gestaltung und Kunst, dem Leiter der Mobilen Jugendarbeit Kleinbasel, Berufstätige im Gastro bis zu Personen die sich im Asylverfahren befinden oder den Prozess bereits durchlaufen und eine Aufenthaltsbewilligung erhalten haben. Sie alle ermöglichen es im Moment zu Bleiben. Essen wird damit auch zu Politik.
Zur Bleibe steht für mich für postindustrielle Gestaltung im besten Sinne. Lösungen für die Gesellschaft entwerfen und leben. Sich den sozialen Raum aneignen. Möglichkeiten erkennen und ihnen eine Form geben, für und mit Menschen. Dazu gehört auch, politische Zusammenhänge zu verstehen und sich von der bürokratischen, gesetzlichen Komplexität nicht abschrecken zu lassen, handeln zu wollen und zu können.
Beispielsweise indem man:
- Asylsuchende zu einem Mindestlohn anstellt
- Einen Workshop zum Thema: Konservieren, Einlegen und Dörren organisiert
- Ein Catering Namens: Anationale Küche für Spontanes gründet
- Einen Mofa-Anhänger schweisst
- Rezepte neu erfindet
- Einen Fremdgang organisiert
- Und neu: einen Kiosk eröffnet, was auch als Vereinslokal dient