Zu Beginn wollten wir Möbel bauen, die einerseits als Ausstellungsmobiliar funktionieren und danach als Gebrauchsmöbel in unseren neuen Campusräumen eingesetzt werden können. Ein ziemlich anspruchsvoller Hybrid – dachten wir und machten uns an den Entwurf. Dieser Prozess erstreckte sich über drei Entwurfsworkshops im Modul solve/produce. Zur Form- und Funktionsfindung arbeiteten wir auch mit Gebrauchtware, die unser neues Umfeld Drespitz so hergibt, mit Bambus oder Karton. Diese Workshops wurden tolle Inspirationsquellen für weitere Schritte.
In einer weiteren Entwurfsrunde nach den Workshops langen wir bei der Idee an, Europaletten als Grundelemente zu verwenden. Die Europaletten wurden gewählt, da sie günstig zu bekommen und stabil sind. Sie bilden eine gute Basis, um Add-Ons im entsprechenden Format zu tragen oder zu stützen. Rund um den Transport von Europaletten gibt es ein weit verbreitetes, genormtes System sowie eine ganze Reihe an praktischem Zubehör. Sie stehen sinnbildlich für das Unterwegssein – sie verkörpern eine nomadische Sehnsucht.
Im Entwurf störte mich immer der Umstand, dass die Palette – je nachdem wie man sie stellt – entweder 120 cm oder 80 cm hoch ist. Für eine Ausstellung, durch die man aufrecht geht, sind Flächen in dieser Höhe meist zu hoch oder zu tief. Die Herausforderung war also, Flächen in 100 bis 105 cm Höhe zu bauen. Selbstverständlich hätte man irgendwelche Bretter mittels Schrauben und Winkeln in dieser Höhe anbringen können, doch was hätten wir im Nachhinein mit diesem Material gemacht? Es war uns sehr wichtig, so zu entwerfen, dass wir kein Material übrig haben, das in einem Keller vergammelt, bis es dann entsorgt wird. Und so viele Stehtische mit 105 cm Höhe brauchen wir im Dreispitz auch nicht. Generell sind Tische etwas, das wir in der Ausstellung brauchen, aber nicht im Dreispitz. Auch andere Erfordernisse der Ausstellung decken sich nicht mit unseren Bedürfnissen am Dreispitz.
Einige Diplomanden wünschten sich eine Wandfläche zum Bespielen. Ausserdem war klar, dass wir für die Signaletik auch etwas brauchen, das ein wenig in die Höhe ragt. Ich überlegte mir, wie man zusätzliche Elemente an der Palette anbringt oder welche Elemente – wie etwa SBB-Palettrahmen – schon existieren, um den Bedürfnissen gerecht zu werden. Auch über eine Kombination von Paletten und Bambusrohren – von denen wir noch reichlich von der letzten Diplomausstellung übrig haben – dachte ich nach. Mit Bohrungen durch die Klötze der Palette könnte so eine Art Stecksystem entstehen. Doch keine der Varianten überzeugte mich wirklich.
Irgendwann – es war einer dieser wunderbaren Momente eines Entwurfsprozesses, die man einfach nicht erklären kann – kam mir die Idee, die Palette als Baustein zu verstehen. Stellt man die Palette nämlich auf die kurze Kante, ist sie 120 cm hoch. Nun kommt rechtwinklig dazu eine zweite Palette, die man auf einer beliebigen Höhe anbringen kann. Das Gebilde hält so noch nicht, da es nur auf einer Seite abgestützt ist. Für die zweite Stütze habe ich mir überlegt, zwei Paletten aufeinanderzusetzen und diese zwei Paletten mit den zuvor rechtwinklig verbundenen Paletten zu verbinden. Hält das auch in der Realität oder nur in Rhino? fragte ich, und machte mich mit drei Spanngurten im Gepäck im Basler Hafen auf die Suche nach vier Europaletten. Ich wurde fündig, und siehe da – die Konstruktion hält.
Folglich skizzierten wir in einem ersten Anlauf, wie die ganze Ausstellung nach diesem Bauprinzip aussehen könnte. Der Vorschlag wurde gutgeheissen, und wir konnten in die Feinplanung der Ausstellung gehen.
Europaletten haben in der Regel die Funktion, Waren zu tragen und zu transportieren. „Realize!“ vermarktet seine Diplomprojekte als Produkte, die erworben werden können, seien sie Dienstleistungen oder physische Produkte. Das Ausstellungsmobiliar wird somit zum Warenträger, und da passt die Europalette wie die Faust auf Auge. Erweiternd eingesetzte Materialien wie Spanngurte und Plastikkisten sind ebenfalls bekannt aus der Cargobranche und ergänzen die Paletten sehr gut. Ein weiterer Pluspunkt ist die ökologische Nachhaltigkeit. Bis auf die Spanngurte und die Signaletikelemente wird das ganze Material angemietet und ausgeliehen. Nach der Inszenierung geben wir die Paletten und Co. also wieder in ihren herkömmlichen Kreislauf zurück.
Und was ist mit den Möbeln? Die Möbelgeschichte war mit dem Ent-scheid für die Paletten-Inszenierung nicht gestorben; jedoch haben wir im Prozess festgestellt, dass sich der anfangs beschriebene Hybrid nicht so einfach umsetzen lässt. Schon wegen der zu produzierenden Menge für eine Inszenierung auf 300 m2 in der Voltahalle ist es sinnvoll, dannach die Möbel ausschliesslich für die neuen Campusräume zu konzipieren. Anlässlich der HGK-Ausstellung auf dem Campus Dreispitz werden diese Möbel dann ein erstes Mal in Szene gesetzt.